Klimawandel ist in der öffentlichen Diskussion oft abstrakt („1,5-Grad-Ziel“, „Kipppunkte“, Missverständnisse zwischen „Wetter“ und „Klima“), der Umgang damit kann verängstigen oder frustrieren, wenn die Anforderungen überwältigend und der individuelle Wirkfaktor zu gering scheinen.
Das Handeln im eigenen Umfeld macht trotz allem einen Unterschied:
In Deutschland gibt es aktuell etwa 1 Million Schreber- sowie 16 Millionen private Gärten, insgesamt geschätzt um die 3400 km2 – etwas weniger als das Territorium der Kapverden.
Somit steht grundsätzlich diese ganze riesige Fläche zur individuellen Gestaltung zur Verfügung, die entsprechend für klimafördernde Maßnahmen genutzt werden kann.
Sogar auf dem eigenen Balkon lässt sich „gärtnern“, und in Hildesheim kann, wer keine einzige solcher Flächen zur Verfügung hat, mit ausreichend Organisation und anderen zusammen nach Absprache eine Flächenpatenschaft für öffentliche Grünflächen übernehmen.
Ob Schrebergarten, Hinterhof, Vorgarten oder Balkon – Blumenkästen & Co. aufzuhängen allein ist nicht automatisch „naturnah“, da viele der gängigen Bepflanzungen keinerlei Nutzen für die heimischen Insekten haben. „Unkraut“, bzw. heimische Wildstauden, wird meist vernichtet, den spezialisierten Insekten damit teilweise ihre einzige Nahrungsquelle genommen, weniger Insekten führt zu weniger Nahrung für Vögel oder Igel, zu weniger Bestäubung und damit Ernteausfällen.
Auch Versiegelung und Pflanzenschutzgifte sowie zu viel Licht nachts tragen neben weiteren Faktoren zum Rückgang heimscher Arten bei. Dieser führt zur Destabilisierung des gesamten Ökosystems und letztlich damit wiederum zu einer Verschärfung des Klimawandels.
Solange diesen Faktoren nicht bestimmt seitens der Politik begegnet wird, kann immerhin im privaten Bereich etwas getan werden.
Als Verein
- beraten wir bei ersten und weiteren Schritten hin zum klimaschonenden, naturnahen Gärtnern, ob auf privatem Grundstück oder im Schrebergarten
- planen wir die Bewirtschaftung eines eigenen Naturgartens und hierfür zunächst die Gründung einer Projektgruppe Naturnaher Garten
Bei der riesigen Fläche, die von vielen Einzelnen potenziell begärtnert werden kann, und der verzweifelten Situation des Ökosystems bleibt festzustellen: Jeder naturnahe Meter hilft – nicht zuletzt als Anregung für andere, als Bekenntnis zum Potenzial der Einzelnen, wenn die Politik versagt.
Naturnahes Gärtnern bedeutet, im Einklang mit der Natur zu arbeiten und nicht „gegen“ sie, diese zu respektieren, indem ihr Raum gegeben wird. Heimische Pflanzen, die von Insekten als Nahrung genutzt werden, können etwa neben den gezüchteten mit rein ästhetischem Wert gleichberechtigt und kreativ stehen gelassen, „unordentliche“ Ecken im Garten als Rückzugsort für Kleintiere und Insekten zur Verfügung gestellt und mit natürlichen Materialien und Hausmitteln gearbeitet werden statt mit Plastik und chemischen Düngern.
So ist nicht zuletzt naturnahes Gärtnern auch Bodenschutz – dieser wird nicht mehr ausgelaugt, sondern vielmehr verbessert durch Mulchen, organische Dünger und ggf. Mischkulturen.
Gerade im Schrebergarten ist ein solches Vorgehen noch nicht unbedingt Standard, bzw. erregt Unmut/Unverständnis, weil nicht der langjährigen Tradition entsprechend. Doch rein rechtlich besteht keine Grundlage für das Untersagen des naturnahen Gärtnerns, außer man ließe einfach verwildern, was ja auch mit „gärtnern“ nichts mehr zu tun hat. Tatsächlich ermutigt sogar die Stadt selbst als Verpächter der Gartenflächen zu naturnahem Gärtnern:
„Es wird erwartet, dass zum Schutz der Vögel, Igel und anderer Nützlinge geeignete Nistgelegenheiten sowie Wasserplätze geschaffen werden. Es sind Insekten durch insektenfreundliche Bepflanzung und ggf. Angebote wie Insektenhotels und Bienengärten zu fördern. Außerdem können Fledermauskästen oder Vogelnistkästen, Blumenwiesen, einheimische Nutzpflanzen, Sortenvielfalt, Pflanzfolgen und -mischungen, Kompostierungen, Verzicht auf invasive Arten, Bienenstöcke, das Stehenlassen von verblühten Stauden oder Ausgeblühtem über das Winterhalbjahr als Winterquartier für Insekten zum Schutz der Fauna beitragen. Die Gärten sollen als Lebensraum für unterschiedliche Tierarten geeignet sein. Daher soll es Elemente geben wie Totholzhaufen, Igelhöhlen, Steinhaufen, Vogeltränken, tote Baumstämme, Verwilderungsecken als Nahrungs- und Quartierangebote für Wildvögel und -insekten.“ (Gartenordnung der Stadt Hildesheim vom 1.8.2022)
Dennoch bleibt es eine schwierige Balance zwischen Naturnähe und „Verwilderung“, die teils im Auge der Betrachtenden liegt, den letztlich optischen Ansprüchen des Vorstands sollte zumindest entgegengekommen werden. Idealerweise führt man ein Gespräch und findet einen Kompromiss, etwa Blühinseln, „Akzeptanzstreifen“, „Pflegewege“ usw.
Wer hier zusammen mit gleichgesinnten neue Ideen oder Austausch sucht, vielleicht eine Patenschaft für eine städtische Grünfläche übernehmen oder direkt in die Projektgruppe einsteigen möchte – meldet euch gerne unter info@bi-wasserkamp.de
